«So können wir zu einer besseren Erholung des Pflegepersonals beitragen»

Weil Kanton und Bund bisher auf eine Ausbildungsoffensive setzen, schreiten viele Institutionen bei den Arbeitsbedingungen voran. Das birgt aber die Gefahr, dass lediglich die Konkurrenz zwischen den Heimen steigt – und nicht die Attraktivität des Berufs.

Marco Meier, Geschäftsführer des Pflegewohnheims Bärgmättli in Beromünster.

Im Pflegewohnheim Bärgmättli werden die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals auf Anfang 2023 verbessert. Statt 42 Stunden muss das Pflegepersonal nur noch 40 Stunden die Woche arbeiten. Während die Arbeitstage gleich lang bleiben, werden die Angestellten so auf ein 100-Prozent-Pensum jeden Monat einen Tag mehr frei haben – bei gleichbleibendem Lohn plus Inflationsausgleich. «So können wir zu einer besseren Erholung des Pflegepersonals beitragen», erklärt Geschäftsführer Marco Meier.

Künftig werden mehr Pflegefachpersonen nötig sein, um die Dienste abzudecken. Meier hofft, dass die Verbesserung auch bei der Besetzung von offenen Stellen hilft. Ausserdem möchte das Pflegewohnheim bald die Dienstpläne flexibler gestalten, sodass potenzielle Fachpersonen zum Beispiel jeden Tag erst ab 17 Uhr arbeiten können. «Grundsätzlich verfolgen wir das Ziel, dass die Arbeit besser mit Freizeit und Familie vereinbar wird», so Meier. In einer Umfrage bei den Mitarbeitenden sei dies als zentrales Bedürfnis geäussert worden.

Lob erhält das Vorgehen im Bärgmättli von Claudia Husmann, Leiterin der Geschäftsstelle des Berufsverbandes der Pflegefachpersonen (SBK Zentralschweiz): «Diese Anpassungen sind ein gutes Zeichen.» Insbesondere die Umsetzung der tieferen Wochenarbeitszeit mit dem zusätzlichen freien Tag befürwortet Husmann. «Das trägt zur maximalen Erholung bei.»

Institutionen können nicht auf Kanton warten

Ausgangspunkt für die Anpassungen im Bärgmättli war laut Meier die Pflegeinitiative: «Da die Umsetzung auf politischer Ebene viel Zeit braucht, haben wir überlegt, wie wir voranschreiten können.» Die kantonalen Massnahmen konzentrieren sich bisher auf die Umsetzung des ersten Teils der Pflegeinitiative. Also darauf, mehr neue Fachkräfte für den Pflegeberuf zu gewinnen. «Gleichzeitig müssen wir aber auch schauen, dass wir diejenigen, die schon in dem Beruf arbeiten, nicht wieder verlieren», sagt Meier.

«Die Arbeitsbedingungen zu verbessern,
ist im Moment also Pflicht der Institutionen.»

Das Bärgmättli ist nicht allein in den Bestrebungen, die Pflegekräfte zu entlasten. Das erklärt Nadja Rohrer, die Präsidentin des Kantonalverbands der Pflegeheime Curaviva. «Alle beschäftigen sich mit der Frage, wie sie attraktiver werden können.» Der Fokus liege dabei auf den Arbeitszeitmodellen und dem Lohn. Die gewählten Werkzeuge seien sehr unterschiedlich. «So gibt es Institutionen, die immer noch geteilte Dienste haben. In diesen Fällen ist das sicher der grösste Hebel.» Anderenorts könne etwa ein Weglassen der Eintrittsschwelle in die Pensionskasse positive Auswirkungen haben.

Konkurrenz zwischen den Heimen steigt

Die Institutionen sind bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege aber nicht völlig frei. Sie sind darauf angewiesen, dass die Gemeinden ihnen bei den Tarifen entgegenkommen, um Verbesserungen wie die Reduktion der Wochenarbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn zu finanzieren. So passiert in Beromünster: Die Gemeinde erhöht das Budget für Pflegekosten.

Sowohl Meier als auch Husmann sehen in den individuellen Anpassungen von Gemeinden und Institutionen aber auch Grenzen. Meier betont, dass auch die Institutionen und der Kanton gefordert sind, die Arbeitsbedingungen konkurrenzfähig zu gestalten. Um genau gegen diese Konkurrenz zwischen Betrieben und Kantonen vorzugehen, will der SBK Zentralschweiz auf einen Branchen-Gesamtarbeitsvertrag hinarbeiten.

Husmann beobachte, dass viele Institutionen zum Handeln gezwungen werden, da sie sonst nicht genug Fachkräfte finden. In vielen Fällen wurden deshalb «kleine Verbesserungen, die sich gut vermarkten lassen», beschlossen. «Das führt aber dazu, dass sich die Heime gegenseitig die Pflegefachpersonen abwerben.» Sie ist überzeugt, dass ein Branchen-Gesamtarbeitsvertrag eher die Wirkung hätte, dass Pflegefachpersonen tatsächlich im Beruf bleiben. «Wir brauchen eine stärkere und flächendeckende Verbreitung der guten Bedingungen.»

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