Seit drei Jahren werden im Kanton Luzern immer mehr zu grosse Klassen gemeldet – das sind die Gründe

Grössere Klassen sind eine Belastung für Lehrpersonen. Obwohl jeweils zusätzliche Ressourcen gesprochen werden, beobachtet der Lehrerinnen- und Lehrerverband die Tendenz mit Sorge.

Kurz vor Schulbeginn waren viele Luzerner Gemeinden in der Stresssituation, dass sie nicht alle Lehrpersonenstellen decken konnten. Teils fehlten wenige Wochen vor Schulstart sogar noch Klassenlehrpersonen. In Dagmersellen mussten deshalb eine Kindergarten- und eine Primarklasse gestrichen werden.

Alex Messerli, Präsident des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands (LLV), blickt zurück: «Das Zusammenlegen von Klassen war eine von vielen Massnahmen, mit welchen man versuchte, die Situation zu lösen und zu entspannen.» Er ist überzeugt, dass dieses Mittel nur vereinzelt eingesetzt wurde. «Es war eine Ultima-Ratio-Lösung.» Dies unter anderem, weil die Zusammenlegung negative Konsequenzen für die Unterrichtsqualität haben könne.

Überbestände steigen tendenziell

Nun legt die Dienststelle Volksschulbildung (DSV) offen, wie viele übergrosse Klassen es im laufenden Schuljahr im Vergleich zu den Vorjahren gibt. Diese Zahlen könnten einen Hinweis darauf geben, wie verbreitet das Phänomen war.

Seit drei Jahren ist zu beobachten, dass die Anzahl übergrosser Klassen tendenziell ansteigt. Sodass heute wieder der Stand von 2018/19 erreicht ist. Dies, obwohl in der Zwischenzeit Massnahmen ergriffen wurden, um die Klassengrössen stärker zu regulieren. So wurden 2019/20 die Ausgleichszahlungen für Unterbestände eingeführt. Die Leiterin der DSV, Martina Krieg, vermutet dass «die Schulen Klassen mit Unterbeständen mit Lernenden aufgefüllt und dadurch auch weniger Überbestände ausgewiesen» haben.

Lehrpersonenmangel als möglicher Grund

Der tendenzielle Anstieg in den vergangenen Jahren kann laut Messerli nicht isoliert betrachtet werden. Er sieht drei Faktoren, die miteinbezogen werden müssen: Die angespannte personelle Situation, die steigenden Schülerzahlen und die Frühpensionierungen. «Diese drei Faktoren hängen sicher voneinander ab. Wie der Lehrpersonenmangel nicht nur mit den steigenden Schülerzahlen erklärt werden kann, ist auch die Entwicklung der Zunahme der Klassengrössen nicht nur abhängig von den Schülerzahlen.» Der Lehrpersonenmangel spielt also auch mit.

Die DVS betont in Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl grösserer Klassen, dass übergrosse Klassen nicht zwingend zu einem Qualitätsverlust führen. «Ausschlaggebend für die Qualität des Unterrichts und die Belastung der Lehrperson ist weniger die Klassengrösse als vielmehr die Klassenkonstellation sowie die professionelle Planung und Durchführung des Unterrichts.» Dem stimmt der Präsident des LLV grundsätzlich zu. Er betont aber auch, dass sich diese Einschätzung in der Praxis relativiert.

Zusätzliche Belastung für Lehrpersonen

Zentral ist für Messerli der Aspekt der Belastung der Lehrpersonen. Befristet mehr Lernende im Klassenzimmer zu haben, sei meist machbar. Aber: «Es scheint, als ob wir als Schule wie auch als Gesellschaft von einer Krise in die Nächste rutschen.» Die fehlende Auswahl an qualifizierten Lehrpersonen, die Pandemie (und ihre Folgen), der russische Überfall auf die Ukraine, die hohen Energie- und Gesundheitskosten beeinflussen laut Messerli das Geschehen in der Schule direkt.

«Diese Überbestände können bei
einer sonst schon angespannten Situation
zur Überbelastung führen, das Fass
also zum Überlaufen bringen.»

Deshalb betrachte der LLV die Tendenz der steigenden Überbestände «mit Sorge», auch wenn bei übergrossen Klassen zusätzliche Ressourcen gesprochen werden, um die Lehrpersonen zu entlasten.

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