Notfall am Limit: Qualität leidet laut Pflegefachleuten des Luzerner Kantonsspitals

Mehrere Stunden Wartezeiten für Bagatellfälle, mangelnde Monitoringplätze und viel zu wenig Personal.

Eine ältere Frau kommt in Sursee auf die Notfallstation. Sie hat einen Puls von 45 und sieht sehr schlecht aus. Eigentlich müsste sie so schnell wie möglich an den Monitor, aber keiner ist frei. Das erzählen Notfallpflegefachleute, die am Luks arbeiten. Solche Vorfälle belasteten sie sehr.

Dass die Wartezeiten, anders als kurz vor Weihnachten in dieser Zeitung kommuniziert, auch mal länger als eine Stunde dauern, betonen fünf Notfallpflegefachleute von verschiedenen Standorten des Luks. Nach dem erwähnten Bericht über den Zustand auf den Notfallstationen meldeten sich diese bei der Redaktion. Es sei viel schlimmer, als im Artikel dargestellt. «Wir haben das Gefühl, das müssen wir richtigstellen.»

Vier Stunden oder länger warten kommt vor

Gleich zu Beginn des Treffens betonen sie: «Wir wollen nicht das Luks schlecht machen, sondern die Bevölkerung sensibilisieren.» Ein zentraler Punkt seien die Wartezeiten. «Bis zu einer Stunde» warten sei «einfach nicht realistisch». Natürlich werde nach medizinischen Kriterien beurteilt, wer warten könne. Bei nicht dringenden Fällen könne es aber auch mal bis vier Stunden dauern – Patientinnen und Patienten berichten zum Teil von noch längeren Wartezeiten.

«Es ist wichtig, dass die Bevölkerung das weiss, denn wenn sie eine Stunde erwarten und vier Stunden warten, löst das Wut und Unverständnis aus», erklären die Notfallpflegefachleute. Die Stimmung auf dem Notfall sei generell angespannter geworden.

Als unsere Zeitung das Luks mit diesen Vorwürfen konfrontiert, antwortet nicht wie sonst üblich die Medienstelle, sondern ein renommierter Medienanwalt. Erst nach mehreren Tagen erhalten wir Antworten auf die Fragen. Obwohl in der Anfrage klargestellt wurde, dass die Vorwürfe verschiedene Standorte betreffen, gibt die Kommunikationsabteilung auch nach mehrmaligem Nachfragen nur zu den Zuständen am Standort Luzern Auskunft.

Markus von Rotz, Mediensprecher des Luks, räumt ein, dass die Wartezeit je nach Patientenaufkommen stark variiere und es «bei medizinisch weniger dringlichen Einzelfällen an Tagen mit sehr hoher Nachfrage» auch länger als eine Stunde dauern könne. Der Grund: «Die Schwierigkeiten des harten Personalmarktes erschweren unsere Dienstleistungsfähigkeit zunehmend.»

Leidet die medizinische Qualität?

Laut den Notfallpflegefachleuten können die langen Wartezeiten auch Konsequenzen haben für die medizinische Qualität. «Wir müssen Betten auf den Gang verlegen und können teils das nötige Monitoring nicht mehr gewährleisten.» Immer häufiger würden «kritische Ereignisse» im internen System CIRS gemeldet – Vorfälle, die potenziell gefährlich sind und hätten verhindert werden können. Mittlerweile seien es mehrere pro Woche.

Von Rotz widerspricht dieser Darstellung: «In jüngster Vergangenheit wurde kein signifikanter Anstieg von CIRS-relevanten Meldungen mit Auswirkungen auf die Patientensicherheit registriert.»

Die vielen zusätzlichen Bagatellfälle an sich seien für das Personal weniger belastend. Aber man erkenne teils die dringenden Fälle nicht, wenn man die Bagatellen zuerst noch triagieren müsse. «Und das ist psychisch sehr belastend für uns», erklärt das Fachpersonal. Mit diesen Vorwürfen konfrontiert behauptet von Rotz wie bereits vor Weihnachten, dass die medizinische Qualität nicht leide. «Die Behandlung von Notfällen ist jederzeit und in guter medizinischer Qualität gewährleistet», stellt er fest.

Stau auf dem Notfall?

Der Grund für die langen Wartezeiten und den grossen Stress für die Notfallpflegefachpersonen liegt laut den Notfallpflegefachleuten aber nicht allein bei zunehmenden Fällen auf dem Notfall. Weil auf den Abteilungen das Personal fehle, stauten sich die Patienten auf dem Notfall. So müssten Patientinnen teils 20 bis 30 Stunden auf dem Notfall verbringen, was wiederum Pflegeaufwand mit sich bringe.

Die Notfallpflegefachleute sind sich einig: «Das Luks hat es verschlafen, den Notfall auszubauen.» Sowohl bei der Ausstattung als auch beim Personal. Noch vor wenigen Jahren konnte laut den fünf Pflegefachleuten eine der Notfallpflegefachpersonen nach der Ausbildung nicht am Luks bleiben, weil keine Stellenprozente frei waren.

In Luzern sei zwar vor kurzem ausgebaut worden, «aber das Personal fehlt trotzdem». Dem widerspricht der Mediensprecher des Luks: «Das Notfallzentrum Luzern ist in der jüngeren Vergangenheit auf verschiedenen Stufen personell ausgebaut worden und ist adäquat besetzt.»

Den Vorwurf, das Luks habe es verschlafen, rechtzeitig zu reagieren, kann von Rotz nicht nachvollziehen. «Grundsätzlich ist der Personalmangel im Gesundheitswesen kein Luks-spezifisches Phänomen.» Es sei das oberste Ziel, die Stellenpläne möglichst vollständig zu besetzen und dafür, wenn betrieblich möglich und entsprechende Stellen offen sind, Fachkräfte auch nach ihrer Ausbildung weiter am Luks zu beschäftigen. «Dies gelingt uns im Notfallzentrum in der Regel gut – derzeit ist nur eine Pflegestelle ausgeschrieben.»

Wenn das Personal knapp ist, springen an allen Standorten Temporäre ein. Es sei jedoch frustrierend und anstrengend, immer wieder neue Mitarbeitende einzuführen, erklären die Notfallpflegefachleute. «Es entsteht eine Unruhe und Unzufriedenheit in den Teams, gerade auch deshalb, weil die Temporären mehr verdienen, jedoch keine zusätzlichen Aufgaben übernehmen. Ausserdem kennen diese die internen Abläufe nicht und können gewisse Pflegeaufgaben, wie zum Beispiel gipsen, nicht durchführen, weil sie von grösseren Häusern kommen.»

Sind immer genügend Fachärzte auf der Notfallstation?

Ein weiterer Aspekt, der die Arbeit der Notfallpflegefachleute belastet, ist der Mangel an Ärzten. Besonders nachts oder am Wochenende sei nicht immer schnell ein Facharzt vor Ort, sondern nur Assistenzärzte. «Sie sind teils jung und unerfahren, was bedeutet, dass eine grosse Verantwortung bei uns liegt.» Von Rotz betont: «Im Notfallzentrum Luzern sind rund um die Uhr an sieben Tagen Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeine Innere Medizin sowie Allgemeinchirurgie im Einsatz.»

Dass es mehr Fachleute braucht, sei mittlerweile beim Luks angekommen. Vor kurzem seien zusätzliche Stellen gesprochen worden. Was den Notfallpflegefachleuten aber fehle, sei die Wertschätzung der bestehenden Mitarbeitenden. «Ich will mehr Lohn, und allem voran brauche ich mehr Erholung», ist mehrfach zu hören. «Wir haben viele Leute, die aus gesundheitlichen Gründen reduzieren müssen.»

Deshalb sind die Angestellten sicher: «Mit einer 37-Stunden-Woche zum gleichen Lohn wäre uns sehr geholfen, denn wir sind am Limit.» Stattdessen würden sie regelmässig vor den Kopf gestossen: «Uns wird immer gesagt, das Spital hat kein Geld. Und dann liest du in der Zeitung, dass der Verwaltungsratspräsident mehr Lohn erhält. Das ist ein Hohn.»

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