«Bei Bewerbungen überlege ich zwei Mal, ob ich das Thema ansprechen soll»: Eine Pole-Tänzerin zum Umgang mit Vorurteilen

Seit über zehn Jahren macht die 26-jährige Bianca Bernasconi Pole-Dance. Bei einem Besuch im Studio zeigt die Grepperin, warum der Tanz an der Stange sie begeistert – trotz negativen Kommentaren.

Porträtfoto von Bianca Bernasconi mit der Hand an einer Pole-Dance-Stange. Sie hat blonde gelockte Haare, die bis zu den Schultern fallen und mit einer kleinen Klammer nach hinten genommen wurden. Ihre Augen sind braun. Sie trägt ausserdem grosse silberne Ohrringe und ein weisses Bikini-Top. Im Hintergrund sieht man weitere Stangen.

Bianca Bernasconi liebt es, zu tanzen. Bereits im Alter von fünf Jahren hat sie damit begonnen:

«Zuerst habe ich Ballett gemacht.
Das hat aber ein Ende genommen,
weil ich zu alt war, um professionell
zu werden.»

Beim Pole-Dance war das hingegen im Alter von 15 Jahren noch möglich. Fünf Jahre später, im Jahr 2017, war sie schliesslich zum ersten Mal an Europameisterschaften. 2018 hat sie an den Schweizer Meisterschaften teilgenommen:

Mittlerweile hat sie ihr Hobby zum Teilzeitberuf gemacht. Sie unterrichtet an der Pole-Dance-Schule Luzern und bietet auch Shows an, welche individuell gebucht werden können.

Bis vier Trainings pro Woche neben Job und Studium

Auch im Alter von 26 Jahren will sie noch an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Diesen Monat findet zum ersten Mal seit Ausbruch der Coronapandemie wieder eine Weltmeisterschaft in London statt. Zurzeit befindet sie sich deshalb in der heissen Vorbereitungsphase mit drei bis vier Trainings pro Woche. Und das obwohl sie weiterhin arbeitet und ein Studium in Digital Business Management absolviert. Die Arbeit aufgeben, will sie aber nicht: 

«Wenn ich mein eigenes Studio aufmachen würde,
dann würde vielleicht meine persönliche Leidenschaft,
mein eigenes Training darunter leiden.»

Dies, weil der organisatorische Aufwand dabei sehr gross sei.

Geschichte geht weiter zurück als Stripclubs

„Dass es internationale Pole-Dance-Wettkämpfe gibt, überrascht die meisten“, erzählt Bianca Bernasconi. Das liegt wohl daran, dass Pole-Dance in den 1950er Jahren in Amerikanischen Bars praktiziert wurde und in diesem Kontext stark sexualisiert wurde.

So verbinden auch heute noch viele den Tanz an der vertikalen Stange mit Sexarbeit. Vergessen geht dabei, dass der Stangentanz seinen Ursprung in der traditionellen asiatischen Akrobatik hat und erst später als anrüchig gesehen wurde.

Moderne Anfänge des Sports in Osteuropa

In den vergangenen Jahren hat sich Pole-Dance vermehrt als sportliche Aktivität verbreitet. Mittlerweile findet sich in jedem grösseren Magazin ein Artikel, der Pole-Dance als Fitnessprogramm anpreist. Viele Studios wurden eröffnet. Zu Beginn insbesondere in Osteuropa, mittlerweile gibt es in Luzern auch Pole-Dance-Kurse für Kinder.

Die Anfänge in Osteuropa sind auch im Luzerner Studio zu sehen. Dutzende Professionelle Tänzer und Tänzerinnen waren zu Besuch, um Kurse zu geben. Ihre Bilder schmücken eine Wand des Studios.

Bianca Bernasconi sitzt auf einem grau gepolsterten Sofa vor einer weissen Wand mit gut einem Dutzend Fotos von Pole-Dance-Tänzern und Tänzerinnen, welche ihre Bilder jeweils signiert und dem Studio gewidmet haben. Bianca Bernasconi trägt ein weisses Bikini mit roten Blumen drauf und eine Smartwatch.
Bild: Jessica Bamford (Kriens, 24. Juni 2022)

Als Bianca Bernasconi mit Pole-Dance begonnen hat, war die Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten. Trotzdem:

«Meine Eltern haben voll locker reagiert.»

Im Video erzählt Bianca Bernasconi aber, dass die Reaktionen nicht immer positiv ausfallen. Ausserdem spricht sie manchmal aus Angst vor negativen Reaktionen noch nicht völlig offen über ihr Hobby:

VideoText

Selten gebe es Leute, welche negative Kommentare bringen würden. Gerade bei älteren Menschen höre sie noch öfters die Verbindung zu Strip Clubs. Deshalb überlege sie jeweils auch zwei Mal, ob sie das Thema bei Bewerbungsgesprächen erwähnen möchte, obwohl sie sicher ist: „Wahrscheinlich würde es bei den anderen gar nicht negativ rüberkommen.“ Immer mehr Leute zeigten nämlich Bewunderung für das was sie tue.

Den Sport wegen ein paar negativen Kommentaren an den Nagel zu hängen kommt für sie aber nicht in Frage. Es sei ein Sport, in dem man sich als Frau sehr stark machen kann. „Für mich persönlich ist es wie eine kleine Therapie, weil ich hier beim Tanzen meine Emotionen zeigen kann.“

Mittlerweile fällt ihr der Umgang mit negativen Reaktionen leicht: „Ich sage mir jeweils ‚denke, was du willst‘. Ich kann nicht immer die Energie aufwenden, diese Person richten zu wollen“. Zu Beginn sei das noch schwieriger gewesen. Zu Beginn habe sie oft gedacht:

«Ich mache doch einen Sport,
wieso verstehen die Leute das denn nicht?»

Sie glaubt zwar, dass sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahren verändert hat und heute toleranter ist, als noch vor zehn Jahren.

«Es ist mittlerweile völlig normal,
dass wir auf Instagram Bilder
beim Tanzen im Bikini hochladen.»

Aber am meisten helfe, dass Pole-Dance verbreiteter ist: „Jeder kennt wohl irgendjemanden, der Pole-Dance macht und versteht deshalb, dass es ein Sport ist.“ 

Kraft ist extrem wichtig

Für Pole-Dance ist die Kraft zentral. Um an der Stange hochklettern zu können, und Figuren halten zu können müssen die nötigen Muskeln gezielt trainiert werden.

Obwohl Pole-Dance sich heute von Sex und Sexarbeit entfernt hat, tragen die Tänzerin weiterhin möglichst knappe Kleidung. Das ist nicht eine alte Tradition, welche noch nicht überwunden wurde, sondern eine Notwendigkeit. Das sei vielen nicht bekannt:

«Man braucht wirklich die Haut, die hält.
Sobald man also an der Stange hochklettern will,
sind die Kleider im Weg.»

Bild: Jessica Bamford (Kriens, 24. Juni 2022)

Dieser Artikel ist am 20. Juli 2022 in leicht abgeänderter Form auf www.luzernerzeitung.ch erschienen.

Beitrag teilen

Start the Discussion!Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert